Die Weltkriege
Wenn das Schicksal nicht los lässt
Der Zweite Weltkrieg
Das Totenkreuz von Karl Weiler aus Braunshausen irgendwo im Osten
Arthur
Hugo
Johann
Robert
08.09.1969: Elsa und Johann Mörsdorf feiern ihre Goldene Hochzeit. Links steht Karl Mörsdorf. Er überlebt als einziger der sechs Söhne.
Kurt
Ernst
Der letzte Brief von der Familie an ihren Sohn Kurt. Er wird ihn nie erhalten.Der rote Vermerk “Zurück Empänger tödlich abgestürzt” trifft die Familie schwer.
Es war die schlimmste Nachricht von der Front. Man konnte nicht einmal Abschied nehmen von Vater, Sohn, Bruder oder Freund.
Es ist der 1.September 1939. An diesem Tag bricht der Zweite Weltkrieg aus. Er sollte sechs Jahre lang dauern und mehr als 60 Millionen Menschen das Leben kosten. Braunshausen, Mariahütte und Gomms-Mühle werden ebenfalls von diesem Ereignis betroffen sein. Im Jahr 1939 zählt der kleine Ort am Fuße des Peterberges 621 Einwohner. Bereits im September 1939 werden Soldaten in Braunshausen einquartiert. Das Nazi-Regime hat auch auf unseren Ort Auswirkungen, die ich zu einem späteren Zeitpunkt beleuchten möchte. Am 16./17. März 1945 rückte amerikanisches Militär im Ort ein und besetzte diesen. Braunshausener Bürger hissten daraufhin als Zeichen der Ergebung an der Schule ein weißes Bettlaken. Der Zweite Weltkrieg war offiziell am 8.Mai 1945 zu Ende. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass die letzten deutschen Spätheimkehrer erst im Januar 1956 zurück in ihre Heimat kamen. Viele Väter, Söhne, Brüder, Freunde mussten in diesen sinnlosen, verdammten Krieg. Einige von ihnen kehrten nie mehr nach Braunshausen zurück. Sie blieben irgendwo in fremder Erde. Die Tränen, welche damals vergossen wurden, sollten nicht in Vergessenheit geraten.
Im Zweiten Weltkrieg traf das Schicksal einige Familien besonders hart. So auch die Familie Mörsdorf in Braunshausen. Es war Anfang der sechziger Jahre und ich ging gerade zur Schule. Ich wohnte in Gellmasch Haus gegenüber von Baldesse. In beiden Häusern wohnten drei Generationen, wie es damals üblich war. Ich spielte um unser Haus herum, was zu der Zeit meine Lieblingsbeschäftigung war. Die beschauliche Idylle, es waren ja kaum Autos unterwegs, wurde durch lautes Geschrei gestört. Es war Johann, der Opa meines Freundes Robert und der Vater von Karl. Öfter war es der Fall gewesen, dass er so reagierte. Es hatte für mich den Anschein, dass er jähzornig war. Aber warum? Übrigens reagierte mein Opa Michel manchmal genauso, wenn er zu später Stunde aus dem Gasthaus kam. Heute recherchiere ich dieses Verhalten für diese Internetseite. Johann und Elsa Mörsdorf heirateten 1919. Sie schenkten von 1920 bis 1930 sechs Jungen das Leben. Die heranwachsenden Männer sollten bald in die schönsten Jahre ihres Lebens kommen, doch es kommt anders. Am 1. September 1939 bricht der Zweite Weltkrieg aus, der alles verändern wird. Zunächst kommt im Juli 1942 die Hiobsbotschaft aus Frankreich, dass Hugo im Alter von 20 Jahren gefallen ist. Im September 1944 kommt aus Lothringen die Nachricht, dass Arthur mit 21 Jahren gefallen ist. Im Januar 1945 schlägt das Schicksal wieder zu. Der 19- jährige Robert verliert in Russland sein Leben. Den Tod des dritten Sohnes kaum verdaut, kommt drei Wochen später aus Kroatien die nächste Todesnachricht: Johann ist im Alter von 24 Jahren gefallen. Vier Söhne in drei Jahren haben Mörsdorfs durch diesen sinnlosen Krieg verloren.
Die Sterbebilder der Soldaten gab es in den Kriegsjahren fast in jedem Haushalt. In einem kleinen Ort wie Braunshauen waren viele miteinander verwandt oder befreundet. Auf dem Bild von Karl steht, dass er seinen 7 Monate alten Sohn nie sehen konnte. Durch den Krieg wuchsen viele Kinder als Halb- oder Vollwaisen auf.
Wie viele Schicksalsschläge verkraftet man als Eltern? Das Schicksal verlangt von Johann und Elsa noch mehr. So kommt 1961 ihr Sohn Alois bei einem Arbeitsunfall ums Leben. Sie haben fünf ihrer sechs Söhne verloren. Ehemann Johann stirbt 1971. Und als sei es noch nicht genug, muss Elsa 1975 einen weiteren schweren Schicksalsschlag hinnehmen. Ihr Enkel Karl-Heinz (genannt Molle) kommt im Alter von 24 Jahren bei einem Verkehrsunfall auf der Hunsrückhöhenstraße ums Leben. Ich sehe heute noch vor mir, wie Elsa mit schneeweißem Haar und gesenktem Kopf vor dem Leichenwagen steht, der an ihrem Haus vorgefahren ist. Es war der letzte Schicksalsschlag für die leidgeprüfte Mutter und Großmutter, Elsa stirbt 1979 im Alter von 88 Jahren.
Wie ich anfangs erwähnte, reagierte mein Opa (Schillinger Michel) ähnlich jähzornig wie Baldesse Johann. Es kam vor, dass mein Opa samstags zu Schumatze (Peterberger Hof) in die Gesangsprobe ging und erst montags nach Hause kam. Dabei hatte er dem Alkohol entsprechend zugesprochen. Sein Verhalten war dann jähzornig, ungehalten und aggressiv. Das zu erleben war für unsere Familie nicht schön. Ich muss aber auch sagen, dass er ansonsten ein liebenswürdiger Mensch und guter Opa war. Sein Leben war ebenfalls durch Schicksalsschläge geprägt: Seine erste Frau starb 1923 bei der Geburt ihrer Zwillinge Kurt und Ernst im Kindbett. Dann mussten die Söhne in den verdammten, unsinnigen Krieg und kamen nicht mehr zurück. Ernst starb 1943 im Alter von 20 Jahren bei der größten Panzerschlacht der Weltgeschichte bei Prochorowka (2400 km fern der Heimat im Osten). Kurt kam 1944 im Alter von 21 Jahren bei einem Flugzeugabsturz in Lüneburg ums Leben. Vier Wochen vor Kriegsende verlor Michel dann auch noch seine Mutter bei einem Granatenangriff in Schillingen.
Russland, den 6.8.43 Liebe Eltern und Schwester! Möchte Euch nur mitteilen, dass ich noch gesund bin, was ich doch auch noch von Euch hoffe. Bis jetzt habe ich noch keine Post von Euch erhalten, aber ich hoffe doch in den nächsten Tagen ein kleine Neuig- keit von Euch durch ein liebes Brief- lein zu erfahren. Meine Lieben, kann Euch nur mitteilen, dass ich sehr, sehr harte Tage und spannende Minuten erlebt habe, aber es geht alles vorüber und das ist die Hauptsache. Was macht Ihr denn noch meine Lieben, ich hoffe doch, dass bei Euch noch alles im alten Gleise geht oder nicht? Nun meine Lieben möchte ich für heute wieder schließen, denn was ich noch weiß kann ich doch nicht schreiben, aber das ist für Euch auch gar nicht so wichtig. Für heute grüßt der in der letzten Zeit viel Glück gehabt hat Euer Sohn Ernst Gruß an alle Bekannten bes. Grüße an Familie Nordmeyer
Russland, den 6.8.43 Liebe Eltern und Schwester! Möchte Euch nur mitteilen, dass ich noch gesund bin, was ich doch auch noch von Euch hoffe. Bis jetzt habe ich noch keine Post von Euch erhalten, aber ich hoffe doch in den nächsten Tagen ein kleine Neuig- keit von Euch durch ein liebes Brief- lein zu erfahren. Meine Lieben, kann Euch nur mitteilen, dass ich sehr, sehr harte Tage und spannende Minuten erlebt habe, aber es geht alles vorüber und das ist die Hauptsache. Was macht Ihr denn noch meine Lieben, ich hoffe doch, dass bei Euch noch alles im alten Gleise geht oder nicht? Nun meine Lieben möchte ich für heute wieder schließen, denn was ich noch weiß kann ich doch nicht schreiben, aber das ist für Euch auch gar nicht so wichtig. Für heute grüßt der in der letzten Zeit viel Glück gehabt hat Euer Sohn Ernst Gruß an alle Bekannten bes. Grüße an Familie Nordmeyer Es ist der letzte Feldpostbrief von Ernst an seine Familie. Er stirbt am 21.08.1943
Meine Großeltern und meine Mutter lebten von 1938 bis 1948 in Vöhrum Kreis Peine. Sie zogen damals dorthin, weil mein Opa bei der Bahn Arbeit gefunden hatte. Deshalb erscheint auf den Briefen die Adresse von Vöhrum. H eute verstehe ich das damalige Verhalten von Baldesse Johann und meinen Opa Michel. Sie waren geprägt und gezeichnet durch die schweren Schicksals- schläge in ihrem Leben. Heutzutage sind wir hier verschont von diesen Schicksalsschlägen durch Kriege. Wir sollten froh und dankbar sein, in unserem Land in einer so friedlichen Zeit zu leben und dabei nicht ver- gessen, wie gut es uns geht. Viele Probleme, die wir meinen heute zu haben, sind dagegen oft Wohlstandsprobleme.
D ie Frage, warum man in diesem System mitmachen musste, zeigt u.a. dieses Schreiben. Ein Familienvater mit damals sechs bis zehn Kindern (was zu dieser Zeit normal war), konnte es sich nicht leisten, arbeitslos zu werden. Also musste er dem System folgen, um seine Familie ernähren zu können.
© Claudia Peter 2016
Braunshausen am Peterberg